Am
Anfang der Recherche konnte ich nicht ahnen, mir waren nur wenige Namen
bekannt, dass ich mit so vielen Opfern konfrontiert werden würde.
20 Personen haben einige Jahre ihres Lebens in Luckau verbracht und wurden
später ausgegrenzt, ausgeplündert und ermordet. Ich habe auf
dieser Seite versucht, die Lebens- und Leidensgeschichten der Opfer stichpunktartig
aufzuzeichnen. Besonders deprimierend waren die Studien der Vermögensunterlagen.
Ich wusste um ihre Ermordung, aber zu sehen, wie sie vor ihrer Deportation
mit zittriger Schrift die Vermögenserklärung ausfüllen
mussten, war unerträglich. Die Betroffenen waren im Alter zwischen
56 - 81 Jahren. Einige Vermögensakten belegen die bürokratische
Abwicklung der schrittweisen Ausgrenzung bis hin zur Deportation sowie
die damit einhergehende Verwertung des Besitzes. Die vorhandenen amtlichen
Schreiben, Verfügungen, Rechnungen und Kalkulationen beleuchten
das bürokratische und private Handlungsgeflecht: Bürgermeister,
Finanzamt, Versicherungen, Landrat, Kreisverwaltung, Regierungspräsident,
Polizei, Post, Sparkassen, Gerichtsvollzieher, Transportunternehmer,
Gebrauchtwarenhändler, Käufer, Vermieter und Nachmieter - sie
alle haben bei der Enteignung und Aneignung jüdischen Eigentums
zusammengewirkt. Einige Dokumente sind exemplarisch bei Jenny Schoenlank
aus Rietzneuendorf anzuschauen. Die Angaben in den ersten 3 Zeilen einer
Tabelle stammen hauptsächlich aus den Unterlagen der Volkszählung
vom 17. 05. 1939 in Deutschland. Dort wurden der Name, Vorname, Geburtsdatum,
Geburtsort, Abstammung und die Meldeadresse des Haushaltsvorstand erfasst.
Ferner wurden im Falle eines bevorstehenden Umzuges die Verzugsadresse
und akademische Bildungsabschlüsse vermerkt. Bereits am 30. 4. 1939
wurde das »Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden« erlassen.
Es regelte die Zusammenlegung jüdischer Familien in »Judenhäusern« und
die »Entjudung des Wohnraums«. Juden durften nun nicht mehr
in »arischen« Häusern wohnen. Das dürfte auch der Grund
sein, warum sich bei einigen Personen der Aufenthaltsort zwischen Mai
1939 und der Deportation nicht ermitteln lässt. Später
wurde noch ergänzt, ob die Person zum RAD (Reichsarbeitsdienst)
eingezogen wurde. Zusätzlich gab es noch personenbezogene Vermerke
auf den Originalbögen, wie zum Beispiel zur Staatsbürgerschaft.
Der Eintrag zur Abstammung wurde nach den Kriterien der nationalsozialistischen
Rassedefinition durchgeführt. Es wurde unterschieden in die Kategorien »Volljude« (JJJJ), »Arier« und »Mischling« (z.B.
JJNN). Die Angaben zum Beruf basieren auf Archivunterlagen und Adressbucheinträge.
Die 4. Zeile enthält Informationen über die Zeit vor der Deportation.
Die Zeilen 5 und 6 beinhalten Angaben zur Deportation und zum Schicksal
von Familienangehörigen.
Erläuterungen zu den Fußnoten
1 – Unterlagen der Volkszählung vom 17.05.1939, Bundesarchiv
Berlin
2 – Datenbank der Holocaust Opfer von Yad Vashem, Jerusalem
3 – Luckauer Heimatkalender 1989 und 1990
4 – „Die »Judendeportationen« aus dem Deutschen Reich 1941-1945”, Alfred Gottwaldt und Diana Schulle
5 – Landeshauptarchiv Potsdam
6 – Berliner Adressbücher, Zentral- und Landesbibliothek Berlin 7 – „Mein Leben im KZ Sachsenhausen”, Harry Naujoks
8 – Berliner Gedenkbuch, Zentrum für Berlinstudien 9 – Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen
10 – Standesamt Luckau
11 – „Gestern sind wir hier gut angekommen”
Der Speicher Heft 9, Jahresschrift des Kreismuseums Finsterwalde
12 – 100 Jahre Krankenhaus Luckau
13 – „Buch der Erinnerung”
Alfred Gottwaldt und Diana Schulle
K·G·Saur München 2003
14 – Online-Archiv des Staatsarchiv in Lodz |