Verwaltungsstruktur der Provinz Brandenburg 1939
Die Provinz Brandenburg gehörte zum Freistaat Preußen und gliederte sich in die beiden Regierungsbezirke Frankfurt (Oder) und Potsdam. Die Regierungsbezirke waren in Stadtkreise und Landkreise aufgeteilt. Nach Auflösung der Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen im Jahre 1938 kamen von dort die Kreise Schwerin (Warthe), Meseritz und Bomst (teilweise) zur Provinz Brandenburg, die gleichzeitig die Kreise Friedeberg Nm. und Arnswalde an die Provinz Pommern abgab. Seit dem 21. März 1939 führte die Provinz die offizielle Bezeichnung „Mark Brandenburg”.

Der Regierungsbezirk Frankfurt umfasste die Stadt- und Landkreise Cottbus, Guben und Landsberg (Warthe), die Stadtkreise Forst (Lausitz) und Frankfurt (Oder), sowie die Landkreise Crossen, Königsberg (Neumark), Lebus, Luckau (Niederlausitz), Lübben (Spreewald), Meseritz, Oststernberg, Schwerin (Warthe), Soldin, Sorau, Spremberg (Lausitz), Weststernberg und Züllichau-Schwiebus.

Der Landkreis Luckau (Nd. Laus.) umfasste die 6 Städte Doberlug (vor 1937: Dobrilugk), Finsterwalde (Nd. Laus.), Golßen, Kirchhain (Nd. Laus.), Luckau (Nd. Laus.) und Sonnewalde sowie die 140 Gemeinden: Alteno, Alt Golßen, Arenzhain, Babben, Beesdau, Bergen, Bergheide, Betten, Birkwalde, Bornsdorf, Breitenau, Brenitz, Briesen, Buchhain, Crinitz, Dabern, Dollenchen, Drahnsdorf, Drössig, Duben, Dübrichen, Egsdorf, Eichholz, Falkenberg, Falkenhain, Fischwasser, Frankena, Frankendorf, Freesdorf, Freiwalde, Friedersdorf bei Brenitz, Friedersdorf bei Doberlug, Fürstlich Drehna, Gahro, Garrenchen, Gehren, Gersdorf, Gießmannsdorf, Göllnitz, Görlsdorf, Gollmitz, Goßmar bei Luckau, Goßmar bei Sonnewalde, Gröbitz, Groß Bahren, Großkrausnik, Groß Lubolz, Groß Radden, Gruhno, Hennersdorf, Hohendorf, Jetsch, Kaden, Kahnsdorf, Karche, Kasel-Golzig, Kemlitz, Klein Bahren, Kleinkrausnik, Klein Radden, Kreblitz, Krossen, Kümmritz, Landwehr, Lichtena, Lichterfeld, Liedekahle, Lieskau, Lindena, Lindthal, Lugau, Massen, Möllendorf, Münchhausen, Neuendorf, Nexdorf, Niewitz, Oderin, Oppelhain, Ossak, Pademack, Pahlsdorf, Paserin, Pelkwitz, Pickel, Piessig, Pitschen, Ponnsdorf, Presehnchen, Prierow, Prießen, Rehain, Reichwalde, Riedebeck, Rietzneuendorf, Rückersdorf, Rüdingsdorf, Rutzkau, Sagritz, Sallgast, Sando, Schacksdorf, Schadewitz, Schäcksdorf, Schenkendorf, Schiebsdorf, Schilda, Schlabendorf, Schönborn, Schönewalde bei Brenitz, Schönwalde, Schollen, Schrackau, Sellendorf, Sorno, Staupitz, Stiebsdorf, Stoßdorf, Tanneberg, Trebbus, Tröbitz, Tugam, Uckro, Walddrehna, Waldow, Waltersdorf, Wanninchen, Wehnsdorf, Weissack, Wentdorf, Werenzhain, Wierigsdorf, Wittmannsdorf, Zaacko, Zauche, Zeckerin, Zieckau, Zöllmersdorf, Zürchel, Zützen.
Jüdischer Bevölkerungsanteil Deutsches Reich, Preußen und Provinz Brandenburg 1925-1945
1837 wurden bei der Volkszählung in Preußen 14.098.125 Einwohner gezählt. Davon waren 183.579 Juden. Fast 5/9 der jüdischen Bevölkerung lebte in den Regierungsbezirken Posen, Bromberg, Marienwerder und Oppeln. In diesen Bezirken gab es 53 Städte mit jüdischen Gemeinden von mehr als 500 Mitgliedern. In Posen lebten 6828 Juden, sie war dort die größte jüdische Gemeinde. 1871 lebten in der Provinz Brandenburg 11.469 Juden. Die größte jüdische Gemeinde hatte natürlich immer Berlin, 1890 lebten dort 79.286 Juden. In der Provinz Brandenburg lebten 13.775 Juden. 1919 betrug die Gesamtbevölkerung im Deutschen Reich 59.181.512, davon waren 620.000 Juden. In Folge der preußischen Politik Ende des 19. Jahrhundert und später des Vertrages von Versailles gab es größere Abwanderungen aus den östlich von Brandenburg gelegenen Provinzen. Anfang 1920 gingen u. a. große Teile der Provinzen Westpreußen und Posen an Polen über. Allein ca. 4000 Juden verließen Posen. Der Grund dürfte nicht nur an den zunehmenden Repressionen gelegen haben, sondern hauptsächlich daran, das sie politisch für Deutschland votierten.
1925 lebten bereits 62.410.619 Millionen Bürger im Deutschen Reich (ohne Saargebiet). Davon hatten 561.696 Menschen die jüdische Religionszugehörigkeit. In der Provinz Brandenburg lebten 2.592.419 Millionen Menschen. Davon waren 8.442 (ca. 0,34 %) jüdischen Glaubens. Im Regierungsbezirk Frankfurt Oder lebten 4131 Bürger israelitischer Religion. Der Kreis Luckau (ohne Finsterwalde) hatte 61.131 Einwohner, davon waren 13 Personen jüdischer Religion. Den größten jüdischen Bevölkerungsanteil im Regierungsbezirk Frankfurt a. O. hatte der Stadtkreis Frankfurt mit 669 Personen. In Berlin gab es bereits 172.672 jüdische Einwohner.
Am 30. 1. 1933 gab es im Altreich (ohne Sudetengau und Danzig) rund 561.000 jüdische Bürger. Von den 2.726.697 Millionen Einwohnern der Provinz Brandenburg waren 7616 jüdischen Glaubens.
Bis 1939 hatte sich ihre Zahl durch Vertreibung, aber auch bereits durch die ersten Morde an Juden deutlich reduziert. Bei der Volkszählung am 17. 5. 1939, die nach Kriterien der nationalsozialistischen Rassedefinition durchgeführt wurde, lebten im »Großdeutschen Reich« (mit Österreich und dem Sudetenland) 330.539 Juden (einschließlich 23.529 Christen jüdischer Herkunft), 71.126 »Mischlinge 1. Grades« (mit zwei jüdischen Großeltern) und 41.456 »Mischlinge 2. Grades« (ein jüdischer Großelternteil).
Laut Volkszählung lebten im Mai 1939 noch 4019 Juden und 2927 »Mischlinge« in der Prov. Mark Brandenburg. Demnach hatte fast die Hälfte der im Juni 1933 gezählten Juden die Provinz verlassen. Die meisten jüdischen Einwohner lebten 1939 im Landkreis Niederbarmin, im näheren Umfeld von Berlin. Besonders in den ländlichen Gemeinden, abseits der Großstädte, machte der Boykottdruck und Denunziantentum das Leben unerträglich. Dort sank die Einwohnerzahl der jüdischen Bürger stellenweise auf 10-20 Pozent. In den Brandenburger Städten Brandenburg a.H., Cottbus, Eberswalde, Frankfurt, Guben, Landsberg und Lübben sank die jüdische Einwohnerzahl (ohne »Mischlinge«) von 2303 auf 1041.
Im Regierungsbezirk Frankfurt/Oder lebte die jüdische Bevölkerung außerhalb der größeren Städte vor allem in den Landkreisen Lebus (208), Meseritz (106) und Sorau (234). Im Landkreis Luckau einschließlich Finsterwalde (2) wurden am Stichtag der Volkszählung 24 jüdische Mitbürger gezählt. Davon waren 3 Personen weiblichen Geschlechts. Die Zunahme ergibt sich aus der Zunahme der jüdischen Häftlinge im Zuchthaus Luckau. Als Bewohner von Anstalten wurden sie dort erfasst, wo sie sich zur Volkszählung aufhielten. In Luckau waren David Tasselkraut und Margarethe Hohenstein mit ihren zwei Söhnen gemeldet, Jenny Schoenlank wohnte in Rietzneuendorf. Frau Hohenstein verzog Ende 39 mit ihren Söhnen nach Berlin.
Zurückgeblieben waren vor allem die Älteren. 63 Prozent der 1939 noch in Deutschland lebenden Juden (ohne »Mischlinge«) waren über 45 Jahre alt, 34 Prozent davon über 65 Jahre.
Die im Auftrag Heinrich Himmlers von Korherr angefertigte Statistik über die Judenvernichtung beziffert die Zahl der Juden im Altreich (mit Sudetengau und Danzig) am 1. 1. 1943 mit 51.327.
Die Wahlen März 1933 im Deutschen Reich und in der Provinz Brandenburg
Am 1. 2. 1933 löst Göring auf Wunsch Hitlers in seiner Funktion als Reichspräsident den Reichstag auf. Auf Grund des Art. 25 der Reichsverfassung stellt er fest, dass sich die Bildung einer arbeitsfähigen Mehrheit als nicht möglich herausgestellt hat. (NSDAP 33,09 %, SPD 20,44 %, KPD 16,86 %)
Die am 10. 2. gegründete KSWR (Kampffront Schwarz-Weiß-Rot), ein Zusammenschluss von DNVP (Deutschnationale Volkspartei) und Stahlhelm, beschließt die Teilnahme an den Reichtagswahlen und will das Kabinett Hitler unterstützen. Am Abend des 27. 2. bricht im Reichstagsgebäude ein Brand aus. Direkt nach dem Brand erklärt Göring, dass das Feuer im Auftrag der KPD gelegt wurde. In der Folgezeit werden Mitglieder der KPD und Juden inhaftiert. Der Rundfunk steht allein der NSDAP als Propagandamittel zur Verfügung. Die Parteizeitung der SPD wird vorläufig verboten.
4 Monate nach der letzten Reichstagswahl finden am 5. 3. 1933 erneut Reichstagswahlen statt. Die seit Anfang des Jahres erlassenen Notverordnungen und Restriktionen haben ihr Ziel erreicht. Die NSDAP stellt zusammen mit der KSWR die Mehrheit im Reichstag (44,5 %). Die SPD erreicht 18,25 %, die KPD 12,32 %.
Im Regierungsbezirk Frankfurt der Provinz Brandenburg erreicht die NSDAP ein überdurchschnittlich gutes Ergebnis. Während die NSDAP im Deutschen Reich durchschnittlich 43,91 % erreicht, geben im Regierungsbezirk Frankfurt/Oder 55,6 % aller Wahlbeteiligten ihr ihre Stimme. Die SPD kommt auf 21,2 %, die DNVP auf 11,4 %. Auch bei den Landtagswahlen (NSDAP 44,58 %, SPD 19,35 %, KPD 14,89 %) und bei der Wahl zum Provinziallandtag (NSDAP 54,17 %, SPD 21,88 %, DNVP 15,63%) geht die NSDAP als Sieger hervor.
Die bürgerliche Gesetzgebung und die Verfassung der Weimarer Republik hatten die Gleichheit aller deutschen Staatsbürger unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Religion oder Rasse vor dem Gesetz postuliert. Nach Machtantritt der Nationalsozialisten wurden in den Jahren 1933-1945 mehr als 1970 Gesetze, Verordnungen, Erlasse, Verfügungen von Reichs- und Territorialbehörden erlassen, die das Bürgerliche Gesetzbuch und das Strafgesetzbuch aushöhlten.
Politische Entwicklung und antisemitische Gesetzgebung im Luckauer Kontext
Am 23.04.1906 wird das vom Pfarrverein der Niederlausitz neubegründete Schülerheim für Gymnasiasten in Luckau eröffnet. Diese Einrichtung, auch Alumnat genannt, sollte in erster Linie Pfarrerssöhnen eine Heimstatt geben. Aber auch andere Schüler konnten für ein höheren Pensionspreis Aufnahme finden. Für die Betreuung der anfänglich bis zu sechszehn Schüler standen eine Hausdame und ein Akademiker zur Verfügung. Nachdem am 21.06.1907 der Grundstein für das Alumnat in der Berliner Straße gelegt wurde, zogen im April 1908 24 Internatsschüler ein. 1913 wird der am 10.04.1904 als fünftes Kind des Calauer Kreisarztes Dr. Otto Gottschalk geborene Joachim in die 3. Klasse (Sexta) eingeschult. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wird der Vater nach Cottbus versetzt und er verlässt Luckau. Nach dem Abitur, sein Vater war inzwischen verstorben, fährt er bis 1926 zur See. Danach möchte er seinen Traum Schauspieler zu werden realisieren. Er nimmt Schauspielunterricht in Cottbus und Berlin. Bereits 1927 erhält er ein Engagement an der Württembergischen Volksbühne in Stuttgart. Dort lernt er seine spätere Frau die Schauspielerin Meta Wolff kennen. Sie heiraten 1930 und Meta tritt vom jüdischen zum evangelischen Glauben über. Anfang 1933 wird ihr Sohn Michael geboren. Joachim Gottschalk gilt nun bald als »jüdisch versippt«. Immer wieder wird er ins Propagandaministerium bestellt: Bedingung für die Teilnahme an Tourneen oder Filmrollen - Scheidung. Am 05.11.1941 gehen die Eheleute Gottschalk mit ihrem achtjährigen Sohn Michael aus dem Leben. Sie werden auf dem Stahnsdorfer Friedhof bestattet.
Bei der Reichstagswahl im Juli 1932 erreichte die NSDAP bereits 230 von 608 Sitzen. Im Zuge dieser politischen Entwicklung setzt eine vermehrte Auswanderung ein.
In Luckau ist der jüdische Medizinialrat Dr. Weinberg als Kreisarzt tätig. Er emigriert noch in diesem Jahr.
Am 01. 04. 1933 organisiert die NS-Führung einen »Judenboykott«. Die Anordnungen der Parteiführung ergingen bereits am 28. 03. 33 an die Basis. „Bis in das kleinste Bauerndorf” sollte der Boykott getragen werden, „um besonders auf dem flachen Land die jüdischen Händler zu treffen”. Pünktlich um 10 Uhr sollten sich zwei SA oder SS-Leute mit Transparenten vor den Geschäften postieren und »arische« Käufer vom betreten abhalten. Nun betraf es auch Juden, die bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend unbehelligt gelebt hatten. Die Aktion richtete sich gegen jüdische Geschäfte und Waren, gegen die Tätigkeit jüdischer Rechtsanwälte und Ärzte, sowie gegen den Besuch von Schulen und Universitäten durch Juden. Bis zum Novemberpogrom blieb der Aprilboykott die einzige organisierte antijüdische Großaktion in Brandenburg. Vereinzelte Übergriffe werden meist verschwiegen, da sie offiziell verboten sind, um negative Reaktionen aus dem Ausland zu vermeiden.
In Luckau hatte der Rechtsanwalt Walter Neumann in der Hauptstraße 7 (heute Nr. 21) seine Kanzlei. 1915 hatte er Gertrud, die Tochter des Justizrates Berthold Kessel geheiratet und die Kanzlei übernommen. B. Kessel starb in Folge von Krankheit bereits 1924. 1933 erwarb W. Neumann das Haus in der Hauptstraße 7. Schon vor Verabschiedung des Gesetzes über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom 07. 04. 1933 nimmt sich Walter Neumann am 4. 4. 1933 das Leben. Auch wenn Gertrud Neumann später nach dem Reichsbürgergesetz vom 15. 9. 1935 als »Mischling« eingestuft worden wäre, lässt sich nicht erkennen, warum W. Neumann zu diesem Zeitpunkt diese Konsequenz gezogen hat. In der Familie besteht die Annahme, dass noch andere Aspekte im persönlichen Bereich zu dieser Entscheidung führten. Der gemeinsame Sohn Ulrich fiel gleich zu Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion. Auch die Brüder von Gertrud Neumann, Carl-Hans und Günter, waren als Berufsoffiziere für die Wehrmacht unerlässlich. Obwohl in den Volkszählungsunterlagen 1939 als »Mischlinge« eingestuft, wurden sie später »deutschblütigen« Personen gleichgestellt und überlebten die NS-Zeit. Im Sommer 1945 kehrte Frau Neumann nach längerer Abwesenheit wieder nach Luckau zurück. Die Schwester von Berthold Kessel, Clara Wollenberg, entzieht sich am 08. 06. 1942 in Berlin der Deportation, in dem sie sich aus dem Fenster ihrer Wohnung stürzt.
Am 07. 04. 1933 wird das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums verabschiedet. Der erstmals im diesem Gesetz formulierte »Arierparagraph« diente hauptsächlich dem Zweck, jüdische Bürger aus dem Berufsleben zu entfernen. Beamte und öffentliche Angestellte mussten »arischer« Abstammung sein, um weiterhin im Dienst bleiben zu können. Als »nichtarisch« galt, wer einen jüdischen Eltern- oder Großelternteil besaß. Mit zusätzlichen Verordnungen und Gesetzen waren im Verlauf des April 1933 unter anderem auch Ärzte und Rechtsanwälte betroffen. Um ihre Berufe weiterhin ausüben zu können, mussten die Betroffenen fortan einen Abstammungsnachweis (Ariernachweis) erbringen. Der Ariernachweis bestand aus Heirats-, Geburts- oder Sterbeurkunden, die von Pastoren, Standesamtbeamten und Archivaren offiziell beglaubigt werden mussten. Zusätzlich zu den Urkunden konnte der Nachweis auch in einem amtlich beglaubigten Ahnenpass oder in einer Ahnentafel festgelegt werden. Um eine »arische« Herkunft einwandfrei zu beweisen, mussten die Urkunden bis zu den Großeltern zurückreichen.
Am 14. 07. 1933 wird das Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit verabschiedet. § 1 lautet: „Einbürgerungen, die in der Zeit zwischen dem 9. November 1918 und dem 30. Januar 1933 vorgenommen worden sind, können widerrufen werden, falls die Einbürgerung nicht als erwünscht anzusehen ist”. Am 26. 07. 1933 erscheint die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit: „Ob eine Einbürgerung als nicht erwünscht anzusehen ist, beurteilt sich nach völkisch-nationalen Grundsätzen. Im Vordergrunde stehen die rassischen, staatsbürgerlichen und kulturellen Gesichtspunkte für eine den Belangen von Reich und Volk zuträgliche Vermehrung der deutschen Bevölkerung durch Einbürgerung. [...] Hiernach kommen für den Widerruf der Einbürgerung insbesondere in Betracht: a) Ostjuden [...]”. Für die Betroffenen bedeutet dies, dass sie als staatenlos gelten. Sie bedürfen daher einer Aufenthaltsbewilligung, eines Fremdenpasses und einer Arbeitserlaubnis. Betroffene die mind. 10 Jahre in Deutschland gelebt haben, konnten einen Befreiungsschein beantragen, der 1 Jahr gültig war und jede Beschäftigung gestattete. In den Volkszählungsunterlagen von 1939 wurde dieser Sachverhalt bei den betroffenen Bürgern vermerkt.
Franziska Berkowicz, geboren am 12. 01. 1877 in Luckau, war verheiratet mit Herrmann Berkowicz gebürtig aus der Landgemeinde Posen stammend. Ab 1919 finden sich Einträge im Berliner Adressbuch. Wahrscheinlich ist, dass die Familie in Folge des 1. Weltkrieges nach Berlin kam. Zur Volkszählung am 16. 06. 1925 lebten in Berlin 105.033 Personen, die vor Ausbruch des 1. Weltkrieges ihren Aufenthaltsort in den abgetretenen Gebieten hatten. An Hand ihrer Adressen: Lothringer- und Dragoner Straße, lässt sich erkennen, dass die Familie Berkowicz im so genannten Scheunenviertel wohnte. Das Scheunenviertel lag nördlich des Alexanderplatzes zwischen Münz- und Lothringer Straße (heute Torstraße). Es war bevorzugtes Wohngebiet für jüdische Einwanderer aus den Gegenden um Posen, Bromberg und Lemberg. Hier gab es schon seit dem 18. Jahrhundert jüdische Einrichtungen, Synagogen und koschere Läden. Unweit in der Oranienburger Straße befindet sich noch heute die Neue Synagoge. Da das Gros der Ostjuden schon immer aus den ärmeren Schichten kam, fanden sie hier billigen Wohnraum. Nirgendwo in Berlin war die Bevölkerungsdichte so hoch wie im Scheunenviertel. Geflügelhandel, wie ihn Herrmann Berkowicz betrieb, war typisch für die Gegend. In der Hirtenstraße war die Geflügelbörse und in vielen Geschäftsräumen gab es Geflügelhandlungen. Herrmann Berkowicz und ihrem Sohn Bruno war die Einbürgerung aberkannt worden.
1934 Noch scheint es keine Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung in Luckau zu geben. Die Klavierlehrerin Elfriede Sommer macht mit ihren Schülern einen Ausflug nach Wittmannsdorf. Ziel war Baegers Gaststätte. Unter den Kindern ist Ruth Simon, Tochter der jüdischen Kaufmannsfamilie Simon aus Luckau.
1935 erschüttert eine antisemitische Terrorwelle die Provinz Brandenburg. Der zeitliche Höhepunkt und die Intensität der Ausschreitungen differierte in Gesamtdeutschland erheblich. In Brandenburg sind die ersten Übergriffe im März dokumentiert (Lieberose und Fürstenwalde). Die zweite, weit stärkere Terrorwelle erschütterte die Provinz im Sommer 1935. Es ist anzunehmen, dass sie ihren Ursprung in Berlin hatte, wo es zu pogromartigen Ausschreitungen auf dem Kurfürstendamm kam. Obwohl die Parteileitungen der NSDAP wiederholt Anordnungen gegen „Selbsthilfeaktionen unverantwortlicher Privatleute” erlassen hatte, häuften sich tätliche Angriffe, Schmierereien und Sachbeschädigungen. Entschuldigt wurden die Aktionen mit dem immer »frecher werdenden Auftreten der Juden« und ihrem Bestreben möglichst in Deutschland zu bleiben. Da die Kommunen laut Deutscher Gemeindeverwaltung weitgehend eigenverantwortlich ihre Angelegenheiten regeln konnten, lag es in ihrer Macht, jüdische Bürger aus dem öffentlichen Leben auszuschliessen. Soweit keine gegenteiligen Anordnungen aus den Reichsministerien ergingen, wuden diverse Restriktionen erlassen. Das waren zum Beispiel die Verbote: Badeanstalten, Kuranlagen und Gaststätten zu besuchen, Marktstände zu errichten oder das generelle Verbot diese Ortschaft zu betreten. Mit den Nürnberger Gesetzen (Reichsbürgergesetz) vom 15. 09. 1935 erweiterte sich der Ariernachweis auf alle Bürger des Deutschen Reichs. Der Ariernachweis wurde dadurch ein Bestandteil des Alltags der deutschen Bevölkerung. Die Nürnberger Gesetze bedeuteten nicht nur eine Verstärkung der wirtschaftlichen Ausgrenzung der Juden, sondern auch den Verlust politischer Rechte. Mit diesem Gesetz wurden die Juden vom NS-Regime zu Bürgern minderen Rechts degradiert. Das zweite auf dem Nürnberger Parteitag von 1935 verkündete Gesetz „Zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre” verbot Eheschließungen zwischen Juden und Deutschen auf Grundlage des Ariernachweises. Desweiteren ist der außereheliche Verkehr zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder »artverwandten« Blutes unter Strafe verboten. Die Betroffenen konnten mit Gefängnis oder Zuchthaus mit bis zu einem Jahr bestraft werden. Im Kreiskrankenhaus Luckau stirbt am 10. 05. 1935 der Kaufmann Simon Warschauer aus Forst. Er wurde am 20. 12. 1888 in Schmiegel (Posen) geboren.
Am 28. 03. 1938 findet in Golßen ein Markt statt. Anwesend ist auch Hans Bloch, Kaufmann aus Lieberose in der Niederlausitz. Da sein angestammter Stehplatz durch einen anderen Händler besetzt ist, möchte er seine Bude neben der jüdischen Konkurenz aufstellen. Dies wird ihm vom verantwortlichen Polizeibeamten aus Platzgründen untersagt. Auf seinen Hinweis, dass er Arier und S.A. sei, antwortet ihm der Beamte: "Er könne auch nach Hause fahren. Im Übrigen sei es ihm egal ob er S.A. Mann sei oder nicht, bei ihm geht es der Reihe nach. Auf dem Platz seien noch andere Leute, die noch wo anders sind, als in der S.A." Bloch beschwert sich daraufhin beim Bürgermeister Erich Schinke, der aber seinem Polizeibeamten beipflichtet und auf die Marktordnung verweist. Diese Schmach lässt Bloch nicht auf sich sitzen. Am 06. 06. 1938 schreibt er eine offizielle Beschwerde an den Landrat des Kreises, an den Bürgermeister u. Kreisleiter in Luckau und die antisemitische Wochenzeitung "Der Stürmer". In dieser legt er seinen Standpunkt dar: "Solange eine Stadt Juden zu läßt, solange haben wir Arier erst recht einen Anspruch auf Platz". Weiter argumentiert er, dass es genug Möglichkeiten gibt, Juden fern zu halten. Als Beispiele führt er auf: Potsdam ist vollkommen judenfrei, in Schwiebus erhalten Juden einen abgelegenen Platz u. packen erst gar nicht aus, Weißwasser vollkommen judenfrei, in Guben werden keine Buden an Juden und Chinesen vermietet, Luckenwalde ist judenfrei und in Zossen waren auf dem letzten Markt nur noch 4 Juden.
In seinem Anschreiben an den Bürgermeister und Kreisleiter Respondek in Luckau weist er darauf hin, dass auf dem letzten Markt noch ca. 30 Juden waren. Sein Vorschlag: "Die Reihen vor dem Rathaus bleiben den Ariern vorbehalten". Er betont, dass er und sein Kamerad Gagalon aus Schlesien ohne Auftrag und aus eigener Initiative handeln. Es gibt keine gesetzliche Handhabe und so bleibt ihnen der Kampf überlassen. Der Landrat in Luckau antwortet ihm, dass es keine Veranlassung gebe, gegen den Bürgermeister und Polizeihauptwachtmeister in Golßen vorzugehen: "Was die jüdischen Händler anbetrifft; so trifft es nicht zu, dass diese Ihnen vorgezogen worden sind. Nach Golßen kommen regelmäßig zwei alte jüdische Händler, die schon jahrzehntelang den Markt besuchen. Eine Absonderung der Juden auf einem so kleinen Markt, wie Golßen, halte ich nicht für erforderlich, da das kaufende Publikum auch ohne Absonderung weiß, daß diese beiden Händler Juden sind. Es muß daher vom Publikum erwartet werden, daß es nicht bei den Juden kauft." Trotz der reservierten Haltung des Bürgermeisters von Golßen und des Landrates führte die Denunziation doch zum Ziel. Auf Anfrage des Kreisleiters der NSDAP Respondek teilt der Bürgermeister von Golßen am 04. 07. 1938 mit, dass Polizeihauptwachtmeister Rudolf Wollenschläger nach Calau versetzt worden ist.
Am 14. 06. 1938 erscheint die Dritte Verordnung zum Reichsbürgergesetz (RGBl I, S. 627). Sie legt die Definition, die Meldepflicht, sowie die Kennzeichnungspflicht der jüdischen Gewerbebetriebe fest.
In Luckau ist das Verzeichnis der jüdischen Gewerbebetriebe auf den 17. 09. 1938 datiert. Zu diesem Zeitpunkt gab es 2 Geschäfte in Luckau, welche von jüdischen Besitzern geführt wurden. Margarethe Hohenstein betrieb mit ihren beiden Söhnen den Verkauf von Konfektion und Wäsche in der Lange Straße 47. Die Familie Simon hatte eine Manufakturwarenhandlung in der Lange Straße 52. Erwachsene Kunden mieden größerenteils die jüdischen Geschäfte, um sich nicht Anfeindungen auszusetzen. Wenn ein Kunde das Geschäft betrat oder verließ, konnte es ihm passieren, dass er einen Schlag auf die Schulter bekam und einen Stempel auf seiner Kleidung hatte. So wurden oft die Kinder geschickt, um die Sachen abzuholen. Spezielle Kunden auf den Dörfern benachrichtigte Frau Hohenstein zur Geschäftsauflösung per Post.
Im Sommer 1938 kommt es in Berlin zu Straßenkrawallen. In Nürnberg, München und Dortmund werden Synagogen zerstört. Am 06. 10. 1938 erlässt die polnische Regierung eine Verordnung, wonach insbesondere in Deutschland lebenden polnischen Juden der Übertritt in das polnische Staatsgebiet verboten wurde. Praktisch bedeutete dies, dass etwa 70.000 polnischen Juden die Rückkehr nach Polen unmöglich gemacht wurde. Trotzdem wurden in der Nacht vom 28. 10.-29. 10. 38 12.000 polnische Juden nach Polen abgeschoben. Darunter war auch die Familie von Herschel Grynszpan. H. Grynszpan lebt zu dieser Zeit illegal in Paris und versucht verzweifelt seiner Familie zu helfen. Am 07. 11. 1938 verübt er einen Anschlag auf den deutschen Legationssekretär Ernst vom Rath.
Am 09. 11. 1938 zwischen 19 und 20 Uhr erhält Hitler in München die Nachricht vom Tod Raths. Noch am selben Abend geben die Gauleiter und SA-Führer ihre Anweisungen für die Durchführung der Pogrome. Außerdem informiert kurz vor Mitternacht die Geheime Staatspolizei in Berlin die nachgeordneten Gestapostellen, die Festnahme von 20.000 Juden vorzubereiten. Wenig später erging ein Blitz-Fernschreiben Heydrichs mit der genauen Anweisung, nur gesunde männliche Juden nicht zu hohen Alters festzunehmen. In vielen Landgemeinden beginnen die Aktionen erst im Laufe des 10. November. Der Grund dafür dürften die organisatorischen Strukturen gewesen sein, da sie nicht von der SA (Sturmabteilung der NSDAP), sondern von den Kreis- und Ortsgruppen durchgeführt wurden.
In Luckau fand am 10. 11. 1938 um 20.30 Uhr eine »Protestkundgebung gegen das jüdische Verbrechertum« statt. Auf der Kundgebung sprachen der Ortsgruppenleiter Polewka und Landrat Wigand. Letzterer sagte in seiner Rede u. a. „Das Schuldbuch jüdischen Verbrechertums ist jetzt bis zum Rande gefüllt”. Nach Ende der Veranstaltung ging der größte Teil der Bevölkerung nach Hause. Eine Gruppe von SA-Leuten und Sympathisanten ging danach in das Lokal „Turmschenke” in der Lange Straße. Im Laufe des Abends kam das Mitglied der NSDAP Otto Blumensaat von einer Reise nach Berlin zurück und ging ebenfalls in die Schenke. Dort forderte er die Anwesenden auf, nicht tatenlos herumzusitzen, sondern endlich mit den Juden abzurechnen. Daraufhin zog die Meute los und zerstörte die Schaufenster der jüdischen Geschäfte. Türen wurden aufgebrochen und die Waren und persönlichen Sachen auf die Straße geworfen. In der „Luckauer Kreiszeitung” konnte man am 11. 11. 1938 lesen: „Aus Gründen der Sicherheit wurden am gestrigen Vormittag die hiesigen jüdischen Geschäfte geschlossen und die männlichen Juden in Schutzhaft genommen, um sie vor Schaden an Leib und Leben zu bewahren.” In Luckau wurden am 10. November unter anderem der Arbeiter David Tasselkraut und die Kaufleute Heinz Hohenstein, Martin Hohenstein und Arthur Simon verhaftet. Am 12. November treffen von der Staatspolizeistelle Frankfurt/Oder Richtlinien ein, welche Juden aus der Schutzhaft zu entlassen sind und welche ins KZ überstellt werden sollen. Sie sollten vermögend, gesund und nicht zu alt sein. Ziel der Aktion war in erster Linie die »Arisierung« in ihre Endphase zu führen und die Auswanderung der Juden zu beschleunigen. Am 14. 11. ordnet die Staatspolizei Frankfurt/Oder an, die inhaftierten Juden spätestens am nächsten Tag ins KZ Sachsenhausen zu überstellen. Die Inhaftierten wurden in Busse verladen und nach Oranienburg gebracht. An Hand der Häftlingsnummern lässt sich erkennen, dass in diesem Transport u.a. Juden aus Luckau, Lübben und Finsterwalde waren. (Laib/Leo Henisch, Heinz und Emil Galliner aus Finsterwalde und Julius Moses aus Lübben) In Sachsenhausen musste der größte Teil auf dem Gelände des Außenlager (Klinkerwerk) arbeiten. Viele brachen nach kurzer Zeit erschöpft zusammen oder erfroren sich in den Wintermonaten Hände und Füße. Entlassungen hatten schon bald nach der Einlieferung wieder begonnen. In Frage kam, wer seine Auswanderung eingeleitet, wer Beziehungen hatte, zum Beispiel Bankiers, Geschäftsleute, oder wer der Arisierung seines Betriebes zugestimmt hatte. Arthur Simon und Heinz Hohenstein wurden am 13. 12. 1938 entlassen. David Tasselkraut und Martin Hohenstein wurden am 06. 01. 1939 entlassen und nach Frankfurt/Oder überführt. Jüdische Häftlinge, die die SS als »ASOs« (Asoziale) oder »BVer« (Häftlinge, die - meist wegen früherer krimineller Vergehen vorbestraft - mit „Befristeter Vorbeugehaft” ins KZ eingeliefert wurden) eingestuft hatte, mussten im Lager bleiben, ebenso die »Politischen« (Kommunisten und Sozialdemokraten), die im Anschluss an ihre Zuchthaushaft nach Sachsenhausen gekommen waren.
Nach dem November geriet die Auswanderung zur Massenflucht. Zwischen November 38 und September 39 verließen annähernd so viele Juden ihre Heimat wie in den 5 1/2 Jahren zuvor. Für die jüdischen Kaufleute war eine Existenz in Luckau nun nicht mehr möglich. Die Kaufmannsfamilien Hohenstein und Simon beantragen im Laufe des Dezembers 1938 die Ausstellung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen. In dieser wurde festgestellt, dass die Person keine Reste an Steuern, Zuschlägen, Strafen, Gebühren und Kosten hatte. Sie waren Voraussetzung für die Auswanderung. Vor allem in den kleineren Brandenburger Ortschaften wurden die jüdischen Betriebe fast unmittelbar nach dem pogrom geschlossen. Falls sie nicht zerstört waren und sich als lukrativ erwiesen, wurden sie »arisiert«.
Am 12. 11. 1938 wird die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben erlassen. Am 03. 12. 1938 folgte die Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens, nach der die Juden ihren Besitz nicht mehr zum eigentlichen Wert, sondern zu amtlich festgesetzten Preisen verkaufen mussten. Der Verkaufserlös musste auf Sperrkonten eingezahlt werden, über die sie nicht mehr verfügen durften. Diese Zwangsmaßnahmen sollten auch als Druckmittel dienen, die Juden zur Auswanderung zu veranlassen, hatten jedoch die Nebenwirkung, dass viele Juden nach der Ausplünderung nicht mehr über die zur Auswanderung notwendigen Mittel verfügten.
Ab dem 01. 01. 1939 durften Juden keine Geschäfte, Kontore oder Handwerksbetriebe mehr betreiben. Es wird ihnen untersagt, auf Märkten, Messen oder Ausstellungen Waren oder Leistungen anzubieten. In der Nacht vom 04. zum 05. Januar 1939 werden in Golßen die Scheiben des Geschäftes der Hermann Meyer & Co. AG mit der Aufschrift "Jude" beschmiert. Nach dem Entfernen der Schriftzüge kann man am 06. Januar lesen: "Trotzdem Jude, hier kauft kein Deutscher". Die unter dem Slogan "Keine Feier ohne Meyer" bekannte Firma mit Sitz in Berlin war spezialisiert auf die Herstellung von Spirituosen, Erzeugnissen aus Obst und Gemüse und dem Vertrieb von Wein. Die Geschäftsführung in Berlin beschwert sich daraufhin bei verschiedenen Stellen und weist darauf hin, dass an dem arischen Charakter ihres Unternehmens kein Zweifel bestehen kann. Der Gauwirtschaftsberater der NSDAP in Berlin teilt dem Kreisleiter Respondek in Luckau folgendes mit: "Dies ist ein typischer Fall eigenmächtigen Vorgehens in der Entjudungsfrage, das bekanntlich unter strenge Strafe gestellt ist. Ich bitte daher, unverzüglich den Ortsgruppenleiter anzuweisen, daß er von diesen lächerlichen Mitteln im Kampf gegen das Judentum Abstand nimmt. Insbesondere ist auch zu unterlassen, dass Käufer bei der Firma Meyer von der gegenüberliegenden Drogerie fotografiert werden. Diese Kampfmethoden waren früher zweckmäßig. Nach dem 1. Januar, von welchem Datum ab es bekanntlich keine jüdischen Einzelhandelsgeschäfte mehr geben soll, schaden sie uns aber nur selber. Ob die Firma Hermann Meyer & Co. jüdisch ist oder nicht, entscheidet ausschließlich der Gauwirtschaftsberater. Im übrigen teile ich Ihnen mit, dass die Besitzverhältnisse bei der Firma Meyer & Co. sehr kompliziert sind und Firma bisher als arisch galt. Es findet jetzt aber eine neue Überprüfung statt". Schon vor Eingang der Rüge, sich seiner Situation wohl bewusst, beantragt der Ortsgruppenleiter von Golßen bis zur Klärung der Angelegenheit die Beurlaubung vom Parteidienst. Er übernimmt die Verantwortung, rechtfertigt aber sein Handeln. Schließlich sei Anfang Januar ein Rundschreiben der Deutschen Arbeitsfront eingegangen, in dem mitgeteilt wurde, dass die Firma Hermann Meyer & Co. jüdisch ist. Zu welchem Zwecke ist ihnen diese Mitteilung zugegangen, fragt er an. Doch nicht um im Aktenschrank zu verschwinden. Weiteres Archivmaterial liegt nicht vor. Laut Hauptversammlungsbeschluß vom 04. 07 .1941 wird die Firma Meyer & Co. umbenannt in die Robert Melchers AG. Der Kreisleiter der NSDAP Alfred Respondek übernimmt aus personellen Gründen 1942 den Kreis Niederbarmin.
Am 28. 1. 39 erlässt der Reichswirtschaftsminister ein reichsweites Verbot für Juden, auf Märkten zu verkaufen. Wie auch viele andere Juden in Deutschland verlassen die Familien Hohenstein und Simon die Provinz und ziehen in eine Großstadt. An die »Entjudung« der Wirtschaft schließt sich die »Arisierung« des land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz. Bis Ende 1941 wechselten in Brandenburg 68,8 % aller jüdischen Grundstücke ihre Besitzer. 93 Prozent aller Flächen, mehr als der Durchschnitt (76,1 %) waren bis zu diesem Zeitpunkt »arisiert«. Infolge der Ausschaltung aus dem deutschen Wirtschaftsleben und der Einstellung der Fürsorgeleistungen für arbeitslose Juden ab dem 01. 01. 1939 verarmte die jüdische Bevölkerung rasch. Von den am 17. 05. 1939 gezählten 330.539 Juden waren 173.149 als »selbständige Berufslose« erfasst worden. Im gesamten Deutschen Reich gab es in den Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern nur noch 747 jüdische Beschäftigte im Wirtschaftszweig Handel und Verkehr. Am 7. September 1939 kündigt die Gestapo eine „allgemeine Regelung des Arbeitseinsatzes aller arbeitsfähigen Juden” an. Außer David Tasselkraut und Jenny Schoenlank leben alle hier [Personenschicksale] erwähnten Personen Ende 1939 in Berlin. D. Tasselkraut versuchte nach seiner Haftentlassung wieder Arbeit in Luckau zu finden. Beim Steinsetzmeister Schröder, in der Färberei Goltze und der Lederhandlung Zander findet er immer nur für kurze Zeit Anstellung. Da er nicht weiß, wie er sich weiterhin verhalten soll, schaltet er den Rechtsbeistand Rietze in Luckau ein. Dieser soll beim Regierungspräsidenten in Frankfurt a.O. Auskunft darüber erlangen, ob er in Luckau bleiben darf oder ausreisen muss. Er hat auf diese Anfrage natürlich keine Antwort bekommen. Ihm war nicht bewusst, dass die Chance zu diesem Zeitpunkt ein Visum zu bekommen, schon fast unmöglich war. Es gab lange Wartelisten zur Einreise und oft wurden hohe Kautionen verlangt. Allein die Schiffspassagen, Gebühren und letztendlich die Reichsfluchtsteuer hätte er wahrscheinlich nicht zahlen können. Die Gebühren für eine Passage Ende 1939 nach Chile (3. Klasse) beliefen sich z. B. auf mehr als 400.-$ (entsprach ca. 1680 RM). Ein Industriearbeiter verdiente zu dieser Zeit 0,80-1,00 RM Brutto die Stunde.
Am 15. 05. 1940 stirbt im Konzentrationslager Sachsenhausen Willi Lewin. Er wurde am 13. 09. 1914 in Berlin geboren. Als Wohnort wird im Totenbuch Luckau in der Niederlausitz angegeben.
Am 20. 01. 1941 erlässt der Reichsminister für Justiz die Verfügung, dass die Vollzugsanstalten jüdische Strafgefangene sechs Wochen vor Haftentlassung der Gestapo zu melden haben, damit diese die Möglichkeit habe, die Betroffenen abzuholen. Im Laufe des Jahres 1941 werden alle verfügbaren Arbeitskräfte in der Kriegsindustrie benötigt. Eine Anordnung des Reichsarbeitsministers vom 4. März 1941 sieht den zwangsweisen Arbeitseinsatz aller arbeitsfähigen Juden vor. Ab 01. 09. 1941 besteht für alle Juden ab dem sechsten Lebensjahr die Pflicht den gelben Stern zu tragen. Ab Ende September 1941 müssen die arbeitsfähigen von ihnen im Reichsarbeitsdienst Zwangsarbeit verrichten. Von den hier 21 bekannten jüdischen Bürgern müssen 7 Personen Zwangsarbeit verrichten. Sie sind im Alter zwischen 56-67 Jahren. Am 18. 10. 1941 beginnen die Deportationen aus der Reichshauptstadt Berlin und am 23. 10. 1941 wird die Auswanderung für Juden generell untersagt. Seit mind. 1896 lebte in Lübben der Kaufmann Nathan Böhm. Er betrieb in der Hauptstraße 204 eine Manufakturwarenhandlung und war auch Tuchhändler. Mit seiner Frau Rosa hat er 5 Kinder. 1907 stirbt Rosa im Alter von 34 Jahren. 1912 wird ihm und seiner 2. Frau Elsa Tochter Ingeborg in Lübben geboren. Wann die Familie Lübben verlässt und nach Berlin geht ist nicht bekannt. Im September 1933 wird Ingeborg, die Philosophie in Berlin studiert, exmatrikuliert. 1939 muß sie den Zwangsnamen Sara beurkunden lassen. Im 2. Berliner Transport wird am 24. 10. 1941 Elsa Böhm nach Litzmannstadt deportiert. Nach der Ankunft am 25. 10. 1941 wird sie in die Reiterstraße 5/7 eingewiesen. Im Zeitraum vom 4. Mai bis 15. Mai 1942 werden die im Oktober und November 1941 aus dem Reich deportierten Menschen nach Kulmhof »ausgesiedelt« und dort umgebracht. Als Elsa Böhm ihre Ausreise-Aufforderung erhält, schreibt sie wie viele andere tausend Betroffene einen Antrag auf Zurückstellung. Alter, Krankheit, Verdienste im 1. Weltkrieg, eine Arbeitsbescheinigung, all dies findet keine Berücksichtigung mehr. Falls ja bedeutet es nur einen Aufschub für Tage. Ihr Antrag wird abgelehnt (ODMOWA).
Im 3. Transport seit Beginn der Transporte aus Berlin werden am 27. 10. 1941 die Geschwister Siegfried Simke, Elfriede Simke und Zerline Rochocz deportiert.
Am 20. 01. 1942 wurde auf der Wannsee-Konferenz die »endgültige Lösung Judenfrage« beschlossen. Anfang April 1942 beginnt die „Umsiedlung” der Juden aus der Provinz. Am 14. 04. 1942 werden Juden aus Großbeeren, Bernau, Rathenow, Wandlitz, und Oranienburg von Berlin aus deportiert. Im Mai ergeht die Verfügung, das Juden keine Haustiere mehr halten dürfen. David Tasselkraut muss seinen geliebten Kanarienvogel abschaffen. Am 14. Dezember 1942 und am 4. Januar 1943 wurden aus dem Zuchthaus Luckau jüdische Häftlinge, die dort vor allem wegen des Vergehens gegen das so genannte Blutschutzgesetz inhaftiert waren, nach Auschwitz deportiert. Auch David Tasselkraut wird 1942 nach Auschwitz deportiert. In Luckau stirbt am 06. 02. 1942 der jüdische Rechtsanwalt Hans-Abraham Kaufmann im Alter von 57 Jahren im Zuchthaus. Er wohnte in Berlin-Charlottenburg.
Im Zuchthaus Luckau stirbt am 29. 03. 1943 Alexander Loewenstein. Er wurde am 21. 06. 1878 in Berlin geboren und war wohnhaft in Wilmersdorf, in der Kaiserallee 222. Am 08. 04. 1943 werden 358 Juden aus dem Regierungsbezirk Frankfurt/Oder abtransportiert. In der Frankfurter Oderzeitung konnte man am 22. 06. 1943 lesen: „Der Regierungsbezirk ist judenfrei”.