Geschichte der Juden in der Mark Brandenburg und Preußen
12. Jahrhundert
Die Geschichte der märkischen Juden beginnt gleichzeitig mit der deutschen Kolonisation im Laufe des 12. Jahrhunderts. Von ihr werden sich auch die Juden des deutschen Westens, die schon unter Verfolgungen zu leiden hatten, eine freiere und gesichertere Existenz versprochen haben. In Folge des 1. Kreuzzuges wurden 1096 die askenasischen Juden ermordet oder vertrieben. Sie siedelten entlang des Rheins vor allem in den Städten Mainz, Speyer und Worms. Ihre Hoffnungen haben sich unter der Herrschaft der askanischen Markgrafen erfüllt.
13. Jahrhundert
Papst Innocenz IV. teilt am 5. 7. 1247 in einer Bulle (besiegelte Urkunde) den Erzbischöfen und Bischöfen mit, dass die Juden vor Verdächtigungen und Verfolgungen zu schützen seien. Papst Gregor X. bestätigt die Bulle am 7. 7. 1274 und Rudolf von Habsburg, römisch-deutscher König, bestätigt sie am 2. 1. 1275 für das Deutsche Reich.
In einem Vergleich zwischen den christlichen Schlächtern und den Juden fällt der Rat zu Frankfurt/Oder am 30. 04. 1294 die Entscheidung, dass die Juden Mosco, Jacobus, Jacobus apud Johannem de hoghenwalde, Zamson, Glomeke, Daurit, Jacobus apud hughonem, Josep, Samel und Habram an drei Tagen der Woche Vieh schlachten dürfen. 1297 wurde die erste Judenordnung für die Mark Brandenburg erlassen. Markgraf Otto IV. (1266-1309) vergab gegen Gebühren Schutzbriefe, welche zur Niederlassung berechtigten. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts kam auch die Mark Lausitz in seinen Besitz. Die Juden haben unter landesherrlichem und teilweise unter städtischem Schutz in einer Reihe von Städten Gemeinden gebildet. Überliefert sind hier: Frankfurt a. O., Stendal, Spandau, Brandenburg, Tangermünde, Nauen, Neuruppin, Berlin und Kölln. Betätigt haben sie sich in Handels-, weniger in Gold- und Pfandgeschäften. Der einzige wirtschaftliche Reibungspunkt mit der christlichen Bevölkerung entsteht in der Zuständigkeit des Fleischhandels. Von religiöser Feindseligkeit ist noch nichts zu spüren.
14. Jahrhundert
Am 9. 11. 1307 verbot Markgraf Hermann denjenigen Juden zu Spandau, die nicht Hausbesitzer waren, Fleisch zu verkaufen. Das zeigt, dass Juden Grundbesitz in der Stadt besaßen. Mit dem Aussterben der Askanier im Jahre 1320 verschiebt sich zunächst die Schutz- und Verfügungsgewalt über die Juden von den Landesherren auf die Städte. Charakteristisch dafür ist, dass die Juden öfters als bisher das städtische Bürgerrecht erwerben müssen. Am 1. 1. 1320 verschenkt Markgräfin Agnes, Wittwe des Woldemars, die ärmeren Juden zu Berlin und Cölln an die Ratsherren. Drei Jahre später werden auch die wohlhabenden Juden an die Stadt abgetreten. Wogegen sie in Stendal (Altmark) noch 1329 eine Neuordnung der Judenabgaben erläßt. Markgraf Ludwig der Ältere (1323-1351) nimmt dann aber seine obrigkeitlichen Rechte wieder stärker wahr, erteilt 1334 und in den folgenden Jahren eine Reihe von Schutzbriefen und sucht willkürliche Besteuerungen abzustellen. Unter anderem befiehlt er seinen markgräflichen Beamten die in seinem Land lebenden Juden nicht zu belästigen oder zu stören. Trotz der an Wirrungen reichen Zeit, hat sich die Zahl der Juden besonders in der Altmark, der Prignitz und der Neumark erheblich vermehrt. Bei der sich nun auch in Brandenburg 1348 ausbrechenden großen Pest, dem „schwarzen Tod”, machte sich die Verzweiflung des Volkes in Judenverfolgungen Luft. Begünstigt wurden diese durch die politischen Unruhen, die dem Auftreten des falschen Woldemar folgten. (Woldemar war ein Hochstapler, der 1348 von Karl IV. mit der Mark Brandenburg belehnt wurde. Er hieß angeblich Jakob Rehbock und soll Müllergeselle gewesen sein) Die einzige nachweisbare Judenverbrennung in der Mark fand im Februar 1351 in Königsberg i. N. statt.
Im Dezember 1351 tauschten Ludwig der Römer (1351-1365) und sein Bruder Otto der Faule (1365-1373) mit Ludwig dem Älteren Oberbayern gegen Brandenburg und die Niederlausitz. Ludwig der Römer als Markgraf Ludwig II. und Kurfürst von Brandenburg zwang den Falschen Woldemar endgültig zum Verzicht auf die Mark Brandenburg. Er verschuldete sich aber und musste Teile der Mark verpfänden. Eine unentbehrliche Geldquelle für die bayrischen Markgrafen waren die Juden. So wurden Juden an Städte oder auch Einzelpersonen verpfändet. Nach Abzahlung der Schuldsumme sollten die Juden aber wieder zu den Markgrafen zurückkehren. So wurden unter anderem die Juden von Berlin und Kölln verpfändet. Die Juden zu (Treuen-) Brietzen an den Bürger Hans Kaiser. Aber auch für treue Dienste zeigte sich Ludwig II. erkenntlich. Am 8. 9. 1356 erhielt der Jude Fritzel zu Spandau von Ludwig für mannigfache getreue Dienste als erbliches Lehen das Amt des Turmwächters zu Spandau. So entstand der Name Judenturm, heute bekannt unter Juliusturm. Am 31. 12. 1372 wurde die Neumark an die Ritter Hasso und Titze von Wedel verpfändet. Allein die Juden wurden ausgenommen, sie sollten weiterhin ihre Abgaben an den Kurfürsten zahlen. Nichtsdestotrotz mussten die Juden noch diverse andere Abgaben zahlen. Dazu zählten u. a. der "Budenzins", Zollgebühren und Steuern für Judenfriedhöfe. 1373 erwirbt Kaiser Karl IV. (1373-1378) die Mark und regiert sie 5 Jahre. Bekannt wurde er für das 1375 erstellte Landbuch der Mark Brandenburg. In diesem wurden alle Besitzungen und Einkünfte erfasst. Auch die Zahlungen die von Juden eingingen sind festgehalten. Die Juden der Mark waren verpflichtet, 500 Schock an den Landesherren abzuführen.
In den nächsten Jahrzehnten wurden die Städte immer mehr rechtlich oder mindestens tatsächlich zu Herren über die in ihren Mauern wohnenden Fremden. Mit der Erscheinung des Berlinischen Stadtbuchs zu Ende des 14. Jahrhunderts wird auch die rechtliche Stellung der Juden in Berlin definiert. Obwohl Christen und Juden, gesetzlich geregelt, nun in den Städten in engerem Kontakt leben, kommt es auch in dieser Zeit zu judenfeindlichen Handlungen. Anlässlich einer Pestepidemie wird in Fürstenwalde der Jude David verbrannt. Als in Frankfurt/Oder der Jude Smargam diesbezüglich Drohungen gegen die Stadt Fürstenwalde ausspricht, wird er in den Kerker gesteckt. Im Jahre 1400 werden in Berlin zwei Männer hingerichtet, weil sie angeblich Christenkinder gekauft haben.
15. Jahrhundert
Der erste Hohenzoller Friedrich I. (1415-1440) hat die jüdischen Rechte anerkannt, ja 1420 das große neumärkische Privileg auf die ganze Mark ausgedehnt und es in zwei Punkten zugunsten der Juden erweitert. Diese lauteten: Alle Städte, Ratmannen, Gewerke, Gemeinden und Richter in den Städten der Mark sollen verpflichtet sein, die Juden zu beschirmen vor ungerechter "zusprache", dass sie bei der Zollabfertigung oder vor den Toren nicht mehr als andere Christen an Zoll zahlen sollten. Und: Fordert ein Christ von einem Juden ein Pfand unter dem Hinweis darauf, daß er seine Schuld bereits bezahlt hätte, so soll dennoch der Jude "nehir sein czu behalden mit seinem rechte wen der Christen".
Ab 1425 übertrug er die Verwaltung der Mark seinem Sohn Johann, weil die ständigen Fehden und Reibereien ihn zermürbten. Inzwischen waren die Juden immer stärker in die Rolle als Geldgeber hineingewachsen; nicht nur Privatpersonen, auch ganze Städte wurden zu ihren Schuldnern. Johann stellt auch neue Schutzbriefe aus. Am 12. 6. 1430 nimmt er den Juden Mayer zu Brandenburg auf und garantiert am 11. 11. 1430 dem Juden Pynnekatz zu Drossen einen Schutzbrief. Sein Sohn Friedrich II. (1440-1471) bestätigt das Privileg bald nach seinem Regierungsantritt im Dezember 1440. Auf der anderen Seite aber wurde ihre Zahl und damit ihre Steuerfähigkeit durch ein großes "Sterben", eine nicht näher bekannte Seuche, in den Jahren 1439-1440 erheblich verringert. In diese Zeit fällt die erste, in ihren Motiven nicht ganz klare Vertreibung der märkischen Juden im Dezember 1446. Sämtliche Juden wurden gefangen genommen, ihr Besitz eingezogen und sie mussten die Mark Brandenburg verlassen. Vielleicht ging sie auf kaiserlichen und päpstlichen Druck zurück. Ihr folgten schon seit 1447 zahlreiche Neuaufnahmen, aber keine neue Bestätigung des allgemeinen Privilegs (nur eine Genehmigung auf begrenzte Zeit). So werden in Stendal, Perleberg, Osterburg und Tangermünde Juden aufgenommen. Auch in den nächsten Jahren nimmt ihre Zahl in den Städten stetig zu und ihre wirtschaftliche Situation verbessert sich wieder. Nun beginnt aber eine schwierige Zeit für die Juden, deren wirtschaftliche Macht in einer Periode allgemein wachsenden Kapitalbedarfs zunimmt, doch eben dadurch heftige Reaktionen bei der christlichen Bevölkerung auslöst. Friedrich II. hat deren Klagen vorübergehend dadurch radikal beseitigen wollen, dass er den Juden alles Zinsnehmen verbot und sie auf Handelsgeschäfte beschränkte. Das ließ sich jedoch nicht durchführen und lag ganz außerhalb der Politik seines Nachfolgers Albrecht Achilles (1471-1486), der in den Juden ein kräftig heranzuziehendes Steuerobjekt sah. Unter ihm, seinem Sohn Johann Cicero (1486-1499) und dessen Sohn Joachim I. (1499-1535) sind vielmehr Geld- und Pfandgeschäfte, gelegentlich durch Höchstzinsen etwas eingeschränkt, zum ausschließlichen Tätigkeitsbereich der Juden geworden. Die Kehrseite ist eine wachsende Verschuldung der Christen und das immer dringendere, von den Ständen als den Vertretern des Landes erhobene Verlangen nach Ausweisung der Fremden. Die Kurfürsten haben sich dem stets widersetzt, gelegentlich auch darauf hingewiesen, dass das Verbot des jüdischen Geldverleihens nur zu mindestens ebenso schlimmen Zinsen der christlichen Kapitalisten geführt habe.
16. Jahrhundert
Noch schärfer hat sich später, 1555, Joachim II. geäußert; er meinte, die Christen seien nunmehr in verbotenen Münzgeschäften, Wucher und anderem unziemlichen Handeln "der Juden Meister" geworden. Demgegenüber behaupteten die Städte, der Wucher der Christen sei nicht so schädlich, da diese nur Verschreibungen oder Bürgen verlangten, aber keine Pfänder nähmen. Bevor Joachim aber zum Verteidiger der Juden wurde - er übernahm die Regierung noch nicht sechzehnjährig - erließ er am 24. 05. 1503 eine Anordnung an die Stände, dass am Michaelstag (29.9.) alle Juden das Land räumen sollten. Es ist nicht überliefert, ob eine Judenvertreibung wirklich stattgefunden hat. Jedenfalls wurden 1509 für 30 Juden Schutzbriefe verlängert, bzw. für 3 Jahre befristet neu ausgestellt. Diese lebten in den Ortschaften: Stendal, Gardelegen, Salzwedel, Seehausen, Werben, Tangermünde, Havelberg, Kyritz, Pritzwalk, Perleberg, Lenzen, Brandenburg, Nauen und Cottbus. Insgesamt müssen zu dieser Zeit ca. 400-500 Juden in der Mark gelebt haben. In dem Privileg wurde ihnen gestattet, das Geldleihgeschäft zu betreiben (mit der Höchstgrenze von 2 Pfennigen Zins für 1 Gulden pro Woche), Handel zu treiben, Fleisch zu kaufen und Baden zu dürfen. Sie sollten in Zukunft auch einen Rabbi haben, der als Richter Streitigkeiten unter den Juden regeln sollte. Die Genehmigung für einen Rabbiner mußte aber zusätzlich erkauft werden. In dieser Zeit müssen viele christliche Bewohner der Mark verarmt oder verschuldet gewesen sein. All der angesammelte Groll kam zum Ausbruch, als im Jahr 1510 gegen die märkischen Juden der Vorwurf des Hostienfrevels und des Kindermordes erhoben wurde. Anlass war der Einbruch in die Kirche von Knobloch im Havelland, bei welchem eine vergoldete Monstranz und zwei geweihte Hostien gestohlen wurden. Der angebliche Täter Paul Fromm, ein Kesselschmied aus Bernau, soll eine Hostie an den Juden Salomon aus Spandau verkauft haben. In Folge des Prozesses wurden ca. 100 verdächtigte Juden nach Berlin gebracht. Dort wurden ihnen auch die Ermordung von Christenkindern zur Last gelegt. Die gesamte Bevölkerung war von ihrer Schuld überzeugt und, ähnlich den Ketzer- oder Hexenprozessen, wurden am 19. 7. 1510 in Berlin 38 Juden auf einem großen Gerüst verbrannt. Zu den Opfern gehörte unter anderem der Brandenburger Rabbiner Sloman. Zwei getaufte Juden wurden mit dem Schwert hingerichtet. Die Übrigen in der Mark lebenden Juden wurden vertrieben. Von 1511-1532 lebten und handelten keine Juden mehr in der Mark.
Erst 1532 gestattete Kurfürst Joachim II. (1535-1571) Juden aus Polen, offene Jahrmärkte in der Neumark zu besuchen. 1539 wurde die gesamte Mark zu Handelszwecken wieder geöffnet. Ab 1543 nahm Joachim II. noch einmal Juden auf. Besonders hervorzuheben ist darunter sein jüdischer Hofdiener Michael, den er Diener und Getreuer nennt. Michael und seine Frau Merle wohnen in Frankfurt a. O. und besitzen auch in Berlin zwei Häuser. Grund dürfte eine größere Schuldenlast durch den missglückten Türkenfeldzug gewesen sein. Besonders Luther warnt den Kurfürsten vor der "jüdischen Tücke" und lehnt die Zulassungen ab. Am 20. 1. 1556 wird der Jude Lippold, für 10 Jahre, zum obersten Aufseher aller märkischen Juden erklärt. Er kam um 1550, aus Prag stammend, in die Mark. Lippold hatte künftig alle Schutz- und Geleitsbriefe zu prüfen, sowie die Münzstätten zu kontrollieren. Verstöße sollte er sofort anzeigen. In der Nacht vom 2.-3. Januar 1571 stirbt Kurfürst Joachim II. Sein Nachfolger Kurfürst Johann Georg (1571-1598) läßt schon am 03. 1. 1571 die Juden von Frankfurt a. O. und Berlin festsetzen. Lippold wird verhaftet und am 28. 1. 1573 hingerichtet. In Berlin kommt es zu Unruhen in deren Verlauf die Synagoge in der Klosterstraße zerstört wird. In diesem Jahr müssen die Juden abermals die Mark Brandenburg verlassen. Die meisten Juden zogen nach Polen und Böhmen. 100 Jahre sollte es nun dauern, ehe Juden in der Mark wieder ansässig wurden.
17. Jahrhundert
Am Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) ist die Mark Brandenburg verwüstet und gebrandschatzt. Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg (1620-1688) [Karte] braucht dringend wieder Steuereinnahmen, um das zerstörte Land aufzubauen. In Berlin-Cölln gestattet er dem Juden Israel Aaron den Zuzug. Er hatte den Auftrag, für die Armee und den kurfürstlichen Hof Waren und Geräte herbeizuschaffen, die im Land nicht erzeugt wurden. Im Mai 1650 stellte er zehn in Halberstadt wohnenden jüdischen Familien einen Geleitbrief aus. Sie durften ungehindert reisen und Güter einführen. Der so genannte Hofjude Aaron war in der Gunst des Kurfürsten immer höher gestiegen. Im Jahre 1670 durfte er sich ein Haus in Landsberg an der Warthe kaufen. Dort richtete er eine Synagoge ein. Am 21. 5. 1671 gestattet Friedrich Wilhelm I. 50 aus Wien vertriebenen jüdischen Familien den Aufenthalt in der Mark und im Herzogtum Krossen. Es wurden 20 Jahre Aufenthalt, die Genehmigung des Kaufens oder Mietens von Häusern, sowie freier Handel vereinbart. Die Juden David Nathan und Hartwig Daniel erhalten des Privilegium, den Tabaksbau in den brandenburgischen Landen einzuführen.
18. Jahrhundert
Im Jahre 1700 leben 112 jüdische Familien in der Residenzstadt Berlin. Am 23. 11. 1708 wird in Brandenburg-Preußen die Judenkommission eingerichtet. Die Mitglieder setzten sich aus Gerichts- und Geheimen Justizräten zusammen. Ihre Bestimmung war, die Juden bei ihren Privilegien zu schützen, alle schon ergangenen Verordnungen zu prüfen, ein neues Reglement zu entwerfen und darauf zu achten, dass in Berlin die Anzahl der zugelassenen jüdischen Personen nicht überschritten wurde. Sie ist bis 1750 die Zentralbehörde der Juden. 1714 leben aber bereits 128 Schutzjudenfamilien in Berlin. 1714 wird die erste jüdische Synagoge in Anwesenheit von Friedrich Wilhelm I. König von Preußen (1688-1740) in Berlin und der Mark Brandenburg eingeweiht. Sie befand sich in der Heidereutergasse in Berlin-Mitte. 1716 schließt die Handelsordnung der Berliner Kaufleute die Juden aus ihrer Gilde aus (bis 1802). In der "Berliner geschriebenen Zeitung" wird am 4. 12. 1717 mitgeteilt, dass der hiesige reiche »Hoffjude« Gumpert unlängst nach Wusterhausen zum König beordert wurde. Gekleidet in blauen Rock und Stiffletten, nach der Mode der großen Grenadiere, erschien er dort und wurde deshalb weidlich vom König verprügelt. 1728 werden in Preußen 1173 jüdische Familien gezählt. Davon leben 180 in Berlin und 60 in Frankfurt/Oder. (Zählung durch den Generalfiskal Uhden) Friedrich Wilhelm I. ordnet 1730 im General Privilegium und Reglement für Juden an, dass sich nur derjenige Jude im Königreich Preußen niederlassen darf, der über 10.000 Taler Vermögen verfügt. Im Brandenburger Herrschaftsbereich erhalten sie die Möglichkeit des Handels in offenen Läden. In Berlin dürfen sich 100 jüdische Familien ansiedeln. In Potsdam legt der Schutzjude David Prager eine Sammetmanufaktur an. Auch Friedrich II. (1740-1786) ist kein Judenfreund. Juden ohne Vermögen, vor allem Betteljuden, ließ er ohne Gnade aus dem Land vertreiben. Reichen Juden aber gab er königliche Privilegien. Besonders im Münzgeschäft weiß er ihre Verbindungen und Fähigkeiten zu schätzen. Die Münzunternehmer durften sich niederlassen wo sie wollten. 1749 werden in Preußen 2093 jüdische Familien incl. Bedienstete gezählt. Das „Revidierte General-Privilegium und Reglement für die Juden in den Preußischen Landen König Friedrich II.” unterstellt am 17. 4. 1750 die Juden dem Polizeidirektorium. Jetzt leben ca. 400-500 jüdische Familien in Berlin. Zu den angesehenen jüdischen Kaufleuten und Bankieren gehören Daniel Itzig, Abraham Leffmann und Levis Erben. Große Manufakturen besitzen David Simons Witwe und Komp., Isaak Benjamin Wulff, Isaak Blanc, Isaak Hirsch, Israel Markus und von Halle, Meyer Benjamin Levi, Bernhard und Komp. (Moses Mendelsohn). Nach Ausbruch des Siebenjährigen Krieges (1756) übernimmt Veitel Heine Ephraim die Münzprägung in den besetzten Gebieten. Selbst der Philosoph Moses Mendelssohn, Bürger in Berlin, hat diese Tätigkeit ein großes Ärgernis genannt, da das wertgeminderte Geld auch nach Preußen gelangt und die antijüdische Stimmung anheizt. 1768 wird das Schutzgeld der Juden in Preußen erhöht. Ein großer Teil wird von den Berliner Juden getragen. Daniel Itzig und Jakob Moses werden 1775 zu den immerwährenden Oberältesten der Judenschaft in den königlichen Landen ernannt.
19. Jahrhundert
Unter Friedrich Wilhelm III. (1797-1840) werden in Folge des Frieden von Tilsit (1807) Reformen eingeleitet. Hier sind besonders Fürst Karl August von Hardenberg und Wilhelm Freiherr von Humboldt zu erwähnen. Sie plädieren vehement für die Gleichstellung der jüdischen Bürger. 1809 erhalten sämtliche Schutzjuden mit Konzession die Erlaubnis zum Handel mit Lohgarn, ungefärbtem Leder auf Jahrmärkten und in den Läden und zum Handel mit rohen Fellen in den Städten. Im März 1812 erhalten etwa 30.000 Juden in Preußen durch Schutzbrief garantierte Gleichberechtigung. Obwohl es auch einige Ausnahmebestimmungen gibt, wird die Reform begeistert aufgenommen. Aber schon nach den Freiheitskriegen (1813-1815) ändert sich die politische Situation in Preußen. In Folge des Wiener Kongresses erhält Preußen 1815 beinahe sein altes Staatsgebiet zurück, zudem den Rest Vorpommerns, den nördlichen Teil des Königreichs Sachsen, Westfalen und die Rheinprovinz. Das Königreich Preußen wird in 10 Provinzen aufgeteilt. Zur Provinz Brandenburg gehören unter anderem: die Kurmark, die Neumark, das sächsische Markgrafentum Niederlausitz und einige Ämter und Herrschaften. Den jüdischen Bürgern in den neuen preußischen Gebietsteilen war 1812 auch die Gültigkeit des Edikts zugesichert worden. Aber daraus wurde nichts. 1817 wurde bekanntgegeben, dass die bürgerlichen Verhältnisse der Juden erst festgestellt werden müssen. Zudem erfährt das Edikt von 1812 auch in den altpreußischen Gebietsteilen immer mehr Einschränkungen. 1822 werden die Berechtigung zur Bekleidung höherer Militärchargen und das Recht zur Bekleidung von akademischen Ämtern wieder rückgängig gemacht. 1831 und 1833 wird festgelegt, dass wichtige Kommunalämter nur bekleidet werden dürfen, wenn Juden sich zur christlichen Religion bekennen. 1835 werden Juden für unfähig erklärt, das Amt des Schiedsmannes auszuüben. Ab dem 31. 10. 1845 müssen Juden per Gesetz vererbare Familiennamen annehmen.
1847 legte der erste Vereinigte Preussische Landtag einen Gesetzesentwurf vor, der zum Ziel hatte, die Judengesetze in allen Landesteilen anzugleichen. Anwesend ist unter anderem Freiherr Karl Otto von Manteuffel Landrat des Kreises Luckau. Bei der stattfindenden Diskussion äußert er sich wie folgt: „.......Ich würde mich dem Gesetz-Entwurfe in seinem Prinzipe hiernach durchweg anschließen und mit wenigen Worten zugestimmt haben, wenn ich es nicht für Pflicht hielte, auf die Verhältnisse jener Provinz hinzuweisen, der ich die Ehre habe anzugehören. In dieser Provinz sind bisher nur ausnahmsweise die Bekenner des Judenthums zugelassen. Es ist diese Zulassung statuiert worden durch eine höchste Verordnung des Landesherrn. Man nennt sie dort Kammerjuden. Ich habe die Ehre, einem Kreise anzugehören, mit einer Einwohnerzahl von 50.000 Seelen, in dem sich 6 Städte und hierunter die Fabrikstadt Finsterwalde befinden. In dem ganzen Kreise domiziliert auch nicht ein einziger Jude. Wenn nun auf diesen Landestheil mit einemmale die Speculation der Juden sich wälzt, wird dies eine Umänderung aller dortigen Verhältnisse herbeiführen, die für jene Gegend um so bedenklicher ist, als dieser Landestheil gegenwärtig in einem Uebergange begriffen ist, herbeigeführt duch die Gewerbefreiheit.......” Bei der namentlichen Abstimmung votiert er in allen Punkten mit -Nein-.
Erst durch die bürgerliche Revolution von 1848 wird die Rechtsunsicherheit beseitigt. In der Verfassungsurkunde vom 5. 12. 1848 wird die Gleichheit aller Preußen vor dem Gesetz definiert. Im Juni 1861 wird die Verfügung vom 28. 12. 1838 über die temporäre Zulassung jüdischer Ausländer, namentlich aus der Klasse der gewerblichen Arbeiter, abgeändert. Bei besonderen Gründen darf die Koncession (2-3 Jahre) auf bestimmte kürzere Fristen verlängert werden. Die Zulassung von Rabbiners, Synagogenbeamten, oder als Dienstboten ist künftig nur aus solchen Gründen zu versagen, welche auch die Zulassung eines christlichen Ausländers hindern würde. 1869 wird die staatsbürgerliche Gleichberechtigung für Juden in Preußen eingeführt. Zwischen 1880 und 1919 treten in Deutschland 11.660 Juden zur evangelischen Landeskirche über. 1896 wird an der höheren Töchterschule in Luckenwalde der jüdische Religionsunterricht eingeführt. Das Gleiche ist für das Realgymnasium geplant. Am 1. 11. 1897 wird in Luckenwalde die neue Synagoge eingeweiht. An der feierlichen Einweihung nahmen u. a. der Bürgermeister Suchsland, Mitglieder des Magistrats, Stadtverordnete und der katholische Pfarrer Eilers teil.